World wide running by Enrico

Boston Marathon 2018

„Together forward“ lautete das Motto des Boston Marathon 2018. Selten hat ein Motto so gut zum tatsächlichen Lauf gepasst wie bei dieser Veranstaltung. Am Ende stehen dann ein unvergesslicher Lauf sowie ein toller Urlaub in der Hauptstadt aller Marathon.

Das wichtigste zuerst: Ich habe den Lauf erfolgreich gefinisht!

Unglaublich emotional war der Moment, als ich nach 41.5km völlig durchnässt, ausgekühlt und erschöpft auf die Boylston St einbog und das Ziel in ca. 700m Entfernung sehen konnte. Die Uhr tickte unerbittlich, ich mobilisierte die letzten Kräfte für einen Schlussspurt und überquerte die Ziellinie nach 2:44:06. Ein Ergebnis, mit dem ich mehr als zufrieden bin und von dem ich am Anfang des Tages nicht mal zu träumen wagte…

Boston Marathon 2018 – „A race for the tough guys“

Montag, 16.04.2018, ein besonderer Tag in Boston denn es ist Marathon Montag. Der Wecker klingelte um 05:30 Uhr. Der Blick aus dem Fenster bestätigte, was die Vorhersage angekündigt hatte: starker Regen und Wind sowie Temperaturen um den Gefrierpunkt, die auch im Laufe des Tages auf max. 5 Grad anstiegen, sich aber bei weitem nicht so anfühlten…

Groß wäre da die Verlockung gewesen, einfach liegen zu bleiben und den Tag im warmen Haus zu verbringen. Doch meine Begleitung Maria und ich haben uns schon so lange auf diesen Tag gefreut und so kam ein nicht an den Start gehen gar nicht in Frage. Es gab dann nur einen schnellen Kaffee und ein paar motivierende Worte am Morgen, bevor wir das Haus verließen.

Zum Start waren es nur wenige Stationen mit der U-Bahn. Aber schon der Weg zur Bahn und von dort zur Kleiderabgabe war eine harte Prüfung, wobei mich mein OP Kittel in dieser Zeit noch relativ trocken hielt.

Auf dem Weg zum Start…

Nach der Kleiderabgabe ging es in den Bus zum Start. Die Abfahrt hat immer ein besonderes Flair, denn es machen sich hunderte Schulbusse gleichzeitig auf den Weg ins 42km entfernte Hopkinton, wo der Start erfolgt. Die Fahrt dauerte ca. 1h. Leider war der Bus in die Jahre gekommen, die Fenster undicht und so blieb das erhoffte Aufwärmen im Bus aus…

Nach Ankunft in Hopkinton machten wir uns auf den 10 minütigen Fußweg zum Start Village. Hier waren Zelte mit Versorgung (Tee, Kaffee, Wasser, Bagels, Riegel und Gels) aufgebaut, in denen man die Zeit bis zum Aufruf in die Startwellen verbringen konnte. Leider war der Untergrund durch den Regen total aufgeweicht. So war das ganze letztlich ein großes Schlammfeld und spätestens jetzt waren die Schuhe komplett durchnässt und verdreckt. Immerhin hielten die Zelte den Regen und auch etwas Wind ab, sodass die Wartezeit einigermaßen erträglich war.

Ca. 45 Minuten vor Start erfolgt der Aufruf, sich in die Startwellen zu begeben, eine Strecke von ca. 10-15 Minuten Gehzeit.

Nach weiteren ca. 30 Minuten Warten hier erfolgte dann endlich der Startschuss. Nachdem ich mich kurz zuvor von meinem Kittel verabschiedet habe, war ich zu diesem Zeitpunkt schon total durchnässt. Allerdings war mir das zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich egal, da ich an der Situation letztendlich nichts ändern konnte…

Der Lauf

Durch die Bedingungen hatte ich alle ursprünglichen Erwartungen und Ziele zurückgestellt und wollte nur ankommen. Also lief ich zunächst einmal mit dem Rest des Feldes los. Trotz Start aus Welle 1, Corral 2 gab es schon ziemlich dichten Verkehr. An diesem Tag hatte das aber den Vorteil, dass ich durch die anderen Läufer etwas vor Wind und Regen geschützt war. Nach ca. 10k hatte sich das Feld etwas entzerrt und die Gruppen wurden immer kleiner oder fielen auseinander. So versuchte ich immer wieder Anschluss an eine Gruppe zu finden, um etwas vor den äußeren Einflüssen geschützt zu sein. Ich lief nach dem Motto „together forward“. Diese Strategie klappte etwa bis km 30 ganz gut. Ab hier war das Feld so zerfallen, dass es nur noch kleinste Grüppchen gab, die kaum Schutz boten. Auch die hier folgenden Anstiege inklusive Heartbreak Hill taten ihr Übriges dazu, die letzten Gruppen auseinander zu reißen.

So war ich über die letzten 10k größtenteils auf mich allein gestellt und musste gegen Wind und Regen ankämpfen. Umso glücklicher war ich, als ich endlich um die letzte Kurve bog und das Ziel vor mir sah. Hier wusste ich, dass ich diesen Lauf erfolgreich beenden kann. Auch die Zeit hatte ich im Blick und legte noch einen letzten „Sprint“ hin. Ich konnte tatsächlich mein Ziel von einer Zeit unter 2:45h verwirklichen, was für mich unter den Umständen mehr als überraschend war.

Wichtig war dieses Ziel für mich, weil ich damit die Möglichkeit habe, beim Tokio Marathon die Lotterie zu umgehen. Dies bringt mich meinem Ziel der Absolvierung der World Marathon Majors wieder einen Schritt näher.

Nach dem Lauf

Nach Überqueren der Ziellinie war ich unglaublich glücklich und überwältigt über das, was ich an diesem Tag geleistet habe. Ich war am Start unsicher, ob mein Körper den Bedingungen standgalten kann und ob ich es auch mental durchstehe. Mit Stolz nahm ich die Medaille entgegen und freute mich auf trockene Kleidung und eine warme Dusche.

Allerdings zog ich mich zunächst nur um und wartete im Zielbereich auf Maria. Auch sie konnte das Rennen erfolgreich in 3:34h beenden. Am Ende war sie mindestens genauso glücklich und überwältigt wie ich von dem, was an diesem Tag passiert war.

Dieser Lauf wird vermutlich für immer in Erinnerung bleiben und war trotz, oder gerade wegen der unglaublich harten Bedingungen ein ganz besonderer!

Den Besuch der After Race Party am Abend ließen wir allerdings ausfallen. Auch wenn der Körper wieder erholt war, waren wir mental nicht bereit uns noch einmal diesen Bedingungen zu stellen.

Medal Tuesday

Am Dienstag zeigte sich Boston dann von seiner besseren Seite, es war sonnig und nicht mehr so kalt und selbst der Wind hatte etwas nachgelassen.

Wir machten uns also auf den Weg in die Stadt und überall waren die roten Celebration Jacken der Läufer sowie die Medaillen der erfolgreichen Finisher zu sehen. Wir liefen den ganzen Tag eigentlich eher ziellos umher und genossen das Wetter, kamen am Charles River, Boston Common und Chinatown vorbei und natürlich blieb ein Besuch in einem der ältesten Restaurants der USA, dem Union Oyster House, nicht aus. Boston ist eine unglaublich tolle Stadt, die besonders durch ihre (kleine) Größe ein ganz besonderes Flair bietet und auf jeden Fall immer eine Reise wert ist.

Fazit

Der Boston Marathon 2018 war von den äußeren Umständen her das härteste Rennen, an dem ich je teilgenommen habe, Kälte, (stürmischer) Wind und Regen setzten jedem Teilnehmer physisch und psychisch zu und so gebe ich dem Moderator der TV Übertragung völlig Recht in seiner Aussage „this is a race for the tough guys“.

Dennoch ist unglaublich, wie viele Menschen als Zuschauer und Volunteers an die Strecke gekommen sind und den äußeren Umständen getrotzt haben. Hieran erkennt man, welchen Stellenwert der Lauf für die Einheimischen hat und warum die Atmosphäre zum Marathon Wochenende in Boston immer etwas ganz Besonderes ist.

Der Boston Marathon ist einer meiner Favoriten der Marathonläufe überhaupt und auch wenn es 2019 vermutlich nicht passt bin ich sicher, irgendwann wieder zu kommen.

Highlights der Reise

Auch neben dem Lauf brachte diese Reise einige Highlights und Überraschungen mit sich. So entdeckten wir zufällig, dass es am Sonntag einen Shake Out Run mit Meb Keflezighi geben sollte, zu dem wir uns auch gleich anmeldeten. Aufgrund des Wetters wurde dieses Event aber kurzfristig zu einer lockeren Frage und Antwort Stunde mit anschließendem Meet & Greet abgeändert. So hatte ich nur eine Woche nach dem Cherry Blossom Run in Washington erneut die Chance auf einen kurzen Austausch und ein Foto mit Meb.

Meeting Meb again 🙂

Ein besonderes Highlight gab es dann noch auf der Rückreise. Als wir am Mittwochmorgen gegen 05:40 Uhr in der Back Bay Station auf unseren Zug warteten, lief uns noch die Siegerin des Damen Rennens, Desiree Linden, über den Weg. Auch hier gab es noch ein kurzes Shake Hands und Austausch von Glückwünschen. Das war ein wirklich gelungener Abschluss für die tolle Reise.

Fakten zum Lauf 2018

Die Temperaturen zum Lauf waren die niedrigsten seit 30 Jahren. Die Kombination aus Wind (Böen von über 50km/h), Kälte (gefühlte Temperatur um den Gefrierpunkt) und Dauerregen in dieser Intensität war aber bisher einmalig (und bleibt es hoffentlich auch). Es existieren unzählige Bilder und Videos des Laufs, doch kaum eines davon kann beschreiben, wie es wirklich war.

Von knapp 30.000 registrierten Läufern gingen knapp 27.000 an den Start und gut 25.700 erreichten auch das Ziel. Die Quote der Finisher lag bei 95,5% und damit deutlich unter der des letzten Jahres. Bezeichnend ist auch die Vielzahl der Fälle, in denen medizinische Hilfe in Anspruch genommen wurde. In den meisten Fällen wegen Unterkühlung.

Jedem, der sich diesen Bedingungen gestellt und den Lauf gestartet hat gebührt der größte Respekt. Dazu gehören aber nicht nur die Läufer, sondern auch alle freiwilligen Helfer, Sanitäter, Sicherheitskräfte und Organisatoren. Nicht zuletzt gehören natürlich auch die wahnsinnig vielen Zuschauer dazu, die es sich nicht nehmen ließen, an die Strecke zu kommen und für eine grandiose Stimmung zu sorgen.

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